Die Rolle der Darmbakterien in der Herzgesundheit

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Das Zusammenspiel von Herz und Darm

Die Zukunft der Herzgesundheit liegt im Verdauungstrakt. Lange Zeit wurden Darmmikroben nur für die Verdauung verantwortlich gemacht. Doch Wissenschaftler haben mittlerweile erkannt, dass ein Ungleichgewicht zwischen gesunden und schädlichen Darmbakterien der Auslöser für viele Krankheiten sein kann.
Zu den möglichen Folgen einer gestörten Darmbesiedlung können Diabetes, Übergewicht, seelische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen, wie auch Herzerkrankungen zählen. Obwohl die Forschungsergebnisse noch Einzelbefunde sind, fügen sie sich langsam zu einem Gesamtbild zusammen.
Es ist belegt, dass sich die Darmflora von erkrankten Personen von der gesunder Personen unterscheidet. Im Blut kranker Menschen finden sich vermehrt bakterielle Abbauprodukte, die krankhafte Prozesse im Körper auslösen können. Auch Risikofaktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit und Stress können ihre schädliche Wirkung auf das Herz entfalten, indem sie das Mikrobiom verändern.

Wie Darmbakterien schaden können

Es gibt eine direkte Verbindung zwischen der Menge und Vielfalt der Darmbakterien und einer geschwächten Herzgesundheit.
Wissenschaftler vermuten derzeit einen simplen Mechanismus:
Die Darmmikroben produzieren Stoffwechselprodukte, sogenannte Metaboliten, die je nach Bakterienart positive oder negative Auswirkungen auf die Herzgesundheit haben können.
Jeder Mensch hat eine individuelle Zusammensetzung der mikrobiellen Darmflora, die unterschiedliche Mengen an Metaboliten produziert. Diese gelangen in den Blutkreislauf, wirken auf das Herz und beeinflussen dessen Gesundheit.
Ein Beispiel ist das Trimethylaminoxid (TMAO)
TMAO (Trimethylaminoxid) entsteht durch den Stoffwechsel von bestimmten Darmbakterien aus Nahrungsbestandteilen wie Cholin und Carnitin, die in tierischen Lebensmitteln wie Eiern, Milch und Fleisch vorkommen. Die Darmbakterien wandeln diese Vorläufereiweiße in TMA (Trimethylamin) um. Die Leber wandelt TMA dann in das herzschädliche TMAO um.
TMAO hat schädliche Auswirkungen auf die Herzgesundheit. Es beeinflusst den Cholesterinstoffwechsel und fördert die Entwicklung von Herzkrankheiten. Ein erhöhter TMAO-Spiegel im Blut deutet auf ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Atherosklerose (Arterienverkalkung) und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin.
Untersuchungen zeigen, dass eine Ernährung mit viel rotem Fleisch den TMAO-Spiegel erhöhen und somit das Risiko für Herzkrankheiten und deren Folgen steigern kann.

Vorteil für Veganer und Vegetarier

Die Zusammensetzung des Mikrobioms unterscheidet sich zwischen Personen, die eine erhöhte TMAO-Produktion aufweisen und denen, bei denen die TMAO-Bildung eher gering ist. Bestimmte Bakterienarten sind effizienter darin, L-Carnitin in TMAO umzuwandeln als andere. Eine erhöhte Anzahl dieser Bakterien im Darm kann zu einer gesteigerten TMAO-Produktion führen.
Vegetarier und Veganer haben in der Regel ein niedrigeres Risiko für eine erhöhte TMAO-Produktion, da diese spezifischen Bakterien auf tierisches Eiweiß angewiesen sind, das in pflanzlichen Ernährungsweisen weniger vorkommt. Dennoch ist es wichtig anzumerken, dass auch pflanzliche Lebensmittel geringe Mengen an L-Carnitin enthalten können. Vegetarier, die Milchprodukte und Eier konsumieren, nehmen im Vergleich zu Veganern höhere Mengen an L-Carnitin zu sich.
L-Carnitin ist ein essenzieller Bestandteil unserer Ernährung und sollte in angemessenen Mengen regelmäßig zugeführt werden. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, das Mikrobiom im Gleichgewicht zu halten, um eine übermäßige TMAO-Produktion zu vermeiden, die mit einem erhöhten Risiko für Herzerkrankungen in Verbindung gebracht wird.

Fun Fact Fleisch-essende Veganer:

Wenn Veganer dazu ermutigt werden, Fleisch zu essen, zeigen Studien, dass ihre Darmbakterien kein Trimethylamin (TMA) produzieren.
Dieses Ergebnis ist nicht überraschend, da eine Ernährung ohne Fleisch die TMA-produzierenden Bakterien quasi "aushungert".
Wenn jedoch Veganer regelmäßig Fleisch konsumieren, können sich diese Bakterien erneut ansiedeln und es wird wieder TMA produziert, wenn die ehemaligen Veganer Fleisch aßen.
Diese Erkenntnisse unterstreichen die Flexibilität des Mikrobioms und seine Fähigkeit, sich entsprechend der Ernährungsgewohnheiten anzupassen. Sie verdeutlichen auch die komplexe Wechselwirkung zwischen Ernährung, Darmbakterien und deren Stoffwechselprodukten.

Wie Darmbakterien schützen können

Unsere nützlichen Darmbakterien spielen eine entscheidende Rolle bei der Produktion von Substanzen, die viele gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen. Diese sogenannten Postbiotika entstehen, wenn die guten Bakterien im Dickdarm unverdauliche Ballaststoffe aus unserer Nahrung abbauen. Insbesondere Postbiotika wie die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und Propionat haben sich als wertvoll erwiesen.
Forscher sind sich einig, dass diese Abbauprodukte bestimmter Bakterien unseren Stoffwechsel und unser Immunsystem beeinflussen können. Sogar unsere Reaktion auf Stress kann durch das Vorhandensein von Postbiotika beeinflusst werden.
Forscher vermuten sogar, dass diese Stoffwechselprodukte der fehlende Schlüssel sein können, der erklärt, warum Lebensmittel einen so tiefgreifenden Einfluss auf unsere Gesundheit haben.
Ein weiteres anschauliches Beispiel im Zusammenhang mit dem Mikrobiom ist die Reduzierung des Salzkonsums.
Es geht nicht nur darum, dass Salz den Blutdruck erhöhen kann, sondern auch darum, dass Salz ein Ungleichgewicht in der Darmflora verursachen kann, da es schützende Bakterien abtöten kann, die wiederum blutdrucksenkende Substanzen freisetzen.
Für die Förderung eines gesunden Darmmikrobioms ist eine angemessene Zufuhr von Prä- und Probiotika von entscheidender Bedeutung und kann durch den Verzehr bestimmter Lebensmittel oder den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln erreicht werden.

Was sind Präbiotika?

Präbiotika sind nicht verdauliche Nahrungsbestandteile, die selektiv das Wachstum und die Aktivität von bestimmten nützlichen Bakterien im Darm fördern. Sie dienen als Nahrung für diese gesunden Bakterien und tragen dazu bei, dass sie sich vermehren und ihre Funktionen im Darm erfüllen können. Präbiotika sind Bestandteile bestimmten Ballaststoffen und bestimmten Pflanzenfasern zu finden. Indem sie das Wachstum der guten Bakterien fördern, tragen Präbiotika zur Aufrechterhaltung einer gesunden Darmflora bei.

Was sind Probiotika?

Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die die Darmgesundheit positiv beeinflussen. Sie können das Gleichgewicht der Darmflora verbessern, die Verdauung unterstützen, das Immunsystem stärken und Entzündungen reduzieren. Probiotika kommen in fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt und Sauerkraut vor und sind auch höher dosiert und mit definierten Bakterienstämmen als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle probiotischen Produkte gleich sind und ihre Wirkung von der spezifischen Zusammensetzung der enthaltenen Mikroorganismen abhängt.


All diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Herzinsuffizienz, Arterienverkalkung und andere Herzkrankheiten kein unausweichliches Schicksal sein müssen und wir mit einer gesunden Ernährung ihnen zum Teil vorbeugen können.

Die Rolle der Darmbakterien: Gute und schlechte Produkte

Hier sind einige der von den Darmbakterien produzierten Stoffe und ihre Auswirkungen auf das Herz:

Gute Metaboliten / Postbiotika:

  • Protocatechusäure: Wird durch die Verstoffwechselung von Früchten durch die Darmflora gebildet. Es soll vor Arterienverkalkung schützen.
  • Kurzkettige Fettsäuren: Butyrat und Propionat entstehen, wenn Darmbakterien unverdauliche Pflanzenfasern abbauen. Diese Stoffe reduzieren das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz.

Schlechte Metaboliten:

  • Trimethylaminoxid (TMAO): Kann an der Entstehung von Herzinsuffizienz, Atherosklerose und chronischen Nierenerkrankungen beteiligt sein. TMAO verursacht eine erhöhte Verklebung von Blutplättchen und erhöht das Risiko für Blutgerinnsel.

Mögliche neue und sanfte Therapiemöglichkeiten

Zukünftige Studien werden zeigen, ob es möglich ist, die Zusammensetzung der Darmbakterien, sowie die von ihnen produzierten Stoffe gezielt zu beeinflussen.
Tierexperimentelle Studien haben bereits vielversprechende Ergebnisse geliefert. Es wurde beispielsweise eine bestimmte Substanz entdeckt, die den TMAO-Spiegel im Blut senken kann. Diese Substanz blockiert ein Enzym im Darm, das normalerweise Cholin abbaut. Durch diese Hemmung wird die Produktion von TMA verhindert und somit auch die schädliche Bildung von TMAO unterbunden. Die behandelten Mäuse wiesen seltener verstopfte Blutgefäße auf und insgesamt eine bessere Gesundheit. Interessanterweise ähnelt die eingesetzte Substanz Cholin und kommt in kalt gepresstem Oliven- und Traubenkernöl sowie in Rotwein und Balsamicoessig vor.
Neben der Entwicklung herkömmlicher Medikamente erforschen Wissenschaftler auch die Möglichkeiten einer „Mikroben Therapie“ zur Beeinflussung von Herzerkrankungen.
Eine vielversprechende Methode besteht darin, die Darmflora mithilfe von Probiotika gezielt zu verändern.
Diese "guten" Bakterien könnten dazu beitragen, die gesunde Zusammensetzung der Darmmikrobiota aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, was sich positiv auf die Herzgesundheit auswirken könnte.
Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass in absehbarer Zukunft sanfte Therapieansätze für Herzpatienten entwickelt werden können, die auf die Beeinflussung der Darmflora abzielen.
Indem wir ein besseres Verständnis für die komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Darm und dem Herz-Kreislauf-System gewinnen, eröffnen sich neue Möglichkeiten, um die Gesundheit der Patienten zu verbessern und das Risiko von Herzerkrankungen zu verringern.

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